“Geht klar. Ich bin schon so gut wie auf dem Weg”, sagte ich und legte auf.
Urlaub an meinem Geburtstag - Satz mit X: Das war wohl nix!
Von wegen, heute Abend ausgehen und eine neue Liebe kennen lernen, so wie es mir diese Hokuspokus-Kartenlegerin bei einer Überdosis Patchouli-Räucherstäbchen weisgesagt hatte. Nein. Heute stand ganz klar Krankenhaus auf dem Plan. Bei der Freundin unseres jüngsten Arztes hatten die Wehen eingesetzt. Deshalb hatte er mehr oder weniger alles stehen und liegen gelassen und war ab sofort im Urlaub. Normalerweise hätte eine Kollegin Bereitschaftsdienst gehabt, aber da sich diese gestern krank gemeldet hatte, musste ich einspringen. Ausgerechnet für die nächsten drei Tage, wo ich mir doch heute so richtig die Kante geben wollte.
Die Geburt des ersten Kindes musste etwas ganz Besonderes sein. Als meine Nichten zur Welt kamen, empfand ich das schon als Highlight. Noch vor ein paar Jahren hatte ich den Plan, in meinem jetzigen Alter ebenfalls zweifacher Vater zu sein.
Satz mit X - ach, lassen wir das.
Ich hatte eigentlich keinen Grund, Späße zu machen und machte sie trotzdem. Irgendwie musste ich mich ja durch mein bitteres Leben schleppen und so ganz ohne Humor, wäre ich wahrscheinlich gar nicht mehr da. Nie werde ich vergessen, wie ich versucht hatte, in der Badewanne die Luft anzuhalten, um zu sehen, ob ich den Atemreflex unterdrücken und anschließend ganz gemütlich und unauffällig einfach wegsterben könnte. Tabletten nehmen oder sich eine Pistole in den Mund stecken konnte jeder. Das war ja keine Herausforderung.
So lebensmüde war ich glücklicherweise nur dieses eine Mal. Und das lag inzwischen schon etwa dreieinhalb Jahre zurück. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Diana mich nicht mit aller Kraft an den Haaren aus dem Wasser gezogen und mir eine schallende Ohrfeige verpasst hätte, von der mir stundenlang der Kopf weh tat. Auch von ihrem hysterischen Geschrei, ob ich nun völlig den Verstand verloren hätte, klingelten mir eine ganze Weile die Ohren. Jedoch konnte ich ihr nur zustimmen. Ich hatte wirklich den Verstand verloren, aber zuerst meine Frau und damit die Lust am Leben. Unter diesen Umständen völlig neben die Spur zu geraten, stand mir, meiner Meinung nach, mehr als zu. Wenigstens glaubte ich das in jenem Moment, in welchem sie mich anplärrte, dass ich mich gefälligst zusammenreißen und nach vorne schauen sollte. Insgeheim hatte ich ja gehofft, sie würde mich davon abhalten, mir etwas anzutun. Denn bevor ich in die Wanne ging, kündigte ich sogar an: “Ich geh mich jetzt ersäufen” und hätte ich es ernsthaft vorgehabt, hätte ich die Tür abgeschlossen. Da ich verdächtig lang im Badezimmer gewesen war, sah Diana schließlich nach mir und verpasste mir den nötigen Arschtritt, um endlich wieder auf die Beine zu kommen. (...)
(...) “Wie groß ist dein Haus?”
“Es gibt genug Platz für eine fünfköpfige Familie. Jeder könnte theoretisch sein eigenes Zimmer haben.”
“Wow, nicht übel ... Sag mal, welcher von Evas Brüdern bist du eigentlich? Nicht der mit den Zwillingstöchtern, oder?”
“Nein, ich bin der mit der toten Frau”, platzte es mir heraus. Oh, Mann, du Hornochse! War das ein Notwehrmechanismus, der sich wie von selbst abspielte? So nach dem Motto: “Bleib mir bloß vom Leib, ich bin ein psychisches Wrack!“ Vor allem klang es fast so, als wäre die tote Frau noch bei mir. Im Garten vergraben. Im Keller aufgebahrt. Oder noch besser: Im Ehebett. Und ich war in Wahrheit ein nekrophiler Geisteskranker.
“Oh, tut mir leid. Hab' ich nicht gewusst.”
“Kein Ding”, sagte ich. Lena, sichtlich überfordert von meiner Aussage, nahm einen großen Schluck aus ihrem Sektglas und ließ ihren Blick durch die Bar schweifen, fast so, als ob sie nach einem Notausgang Ausschau halten würde. Flirten war doch nicht so leicht, wie ich dachte. Ein paar schweigende Minuten verstrichen. (...)